Montag, 23. Mai 2016

V - Der revolutionäre Dreisatz Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in den Äußerungen verschiedener Päpste


5. Eine Philosophie, die der Kirche
bei weitem keinen Anlaß zur Freude gibt

   In seinem Apostolischen Schreiben Notre Charge Apostolique vom 25. August 1910, in dem er die französische Bewegung der katholischen Linken Le Sillon von Marc Sagnier verurteilt, analysiert der Heilige Pius X. den berühmten Dreisatz folgendermaßen:
   „Die Bewegung des ,Sillon‘ vertritt in anerkennenswerter Weise die Menschenwürde. Aber sie versteht diese Würde im Sinne gewisser Philosophien, die der Kirche durchaus nicht zum Ruhm gereichen. Das erste Element dieser Würde ist die Freiheit, die so verstanden wird, daß jeder Mensch, außer in religiösen Dingen, autonom ist. Aus diesen Grundprinzip zieht die ,Sillon-Bewegung‘ folgende Schlüsse: Heute steht das Volk unter der Vormundschaft einer mit ihm nicht identischen Autorität; von ihr muß es sieh befreien, das ist politische Emanzipation. Es steht in der Abhängigkeit von Arbeitgebern, die seine Produktionsmittel in der Hand haben und es dadurch ausbeuten, unterdrücken und erniedrigen; es muß ihr Joch abschütteln, das ist, wirtschaftliche Emanzipation. Es ist schließlich beherrscht von der sogenannten herrschenden Klasse, die aufgrund ihrer besseren intellektuellen Bildung eine ungebührliche Vorrangstellung im Wirtschaftsleben besitzt; es muß sich dieser Herrschaft entziehen, das ist, intellektuelle Emanzipation. Eine Nivellierung unter diesen drei Gesichtspunkten wird die Gleichheit unter den Menschen herbeiführen, und die Gleichheit ist die wahre menschliche Gerechtigkeit. Eine politische und soziale Ordnung, die auf dieser doppelten Basis der Freiheit und Gleichheit (zu denen sich bald noch die Brüderlichkeit hinzugesellt) aufruft, das ist es, was sie Demokratie nennen. [...]
   In der Politik zunächst will die ,Sillon'-Bewegung die Autorität nicht abschaffen, sie hält sie im Gegenteil für notwendig; aber sie will sie aufteilen oder, besser gesagt, vervielfältigen, sodaß jeder Bürger eine Art König wird. [...]
   In entsprechender Weise gilt das Gleiche für die Wirtschaftsordnung. Die Wirtschaftslenkung wird, dadurch, daß sie eitler einzigen Klasse genommen wird, so gut vervielfältigt, daß jeder Arbeitnehmer eine Art Arbeitgeber wird. [...]
   Und nun zum wichtigsten Element, dem .sittlichen. l...l Der Enge seiner Privatinteressen entrissen und zu den Höhen der Interessen seines Berufsstandes erhoben, und höher noch zu den Interessen der gesamten Nation, ja der ganzen Menschen (den der Horizont der ,Sillon' Bewegung endet nicht an den Grenzen des Vaterlandes, er erstreckt sich über alle Menschen hin bis an die Grenzen der Erde), wird das menschliche Herz, geweitet durch die Liebe zum allgemeinen Wohl, alle Berufskameraden, alle Volksgenossen, alle Menschen umarmen. So wird die Größe und ideale Würde des Menschen realisiert in dem berühmten Dreisatz: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. [...]
   Das ist, kurz zusammengefaßt, die Theorie, man könnte auch sagen der Traum der ,Sillon Bewegung". 1)
   
   Der hl. Papst Pius X. folgt also ganz den Spuren seiner Vorgänger, die seit Pius VI. die von dem Wahlspruch der Französischen Revolution eingegebenen Irrtümer verurteilt haben.

1) Utz - von Galen, XXIII, 241-243-244-245-247.


in Plinio Corrêa de Oliveira: „Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Papst Pius XII. an das Patriziat und den Adel Roms“, TFP Österreich, 2008, S. 212-213

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